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Die Vorbereitungen für das Samhain-Ritual

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Die Vorbereitungen für das Samhain-Ritual

 

Von Vorfreude erfüllt, beschleunigte Annalena ihre Schritte, als sie die Strasse entlangging und das sanfte Trommeln der Regentropfen auf ihrer Haut spürte. Sie war auf dem Weg zu Miras Wohnung und konnte das Treffen kaum erwarten. In der Ferne sah sie geschnitzte Kürbisse und andere Halloween-Dekorationen – die Festlichkeiten des Feiertags waren bereits in vollem Gange. Es wirkte alles so fremd und seltsam auf sie, diese Feier, die sie nicht ganz verstand.

Sie hatte Mira von ihrer Verwirrung erzählt, und so hatte ihre Freundin ihr versprochen, ihr eine andere Seite von Halloween zu zeigen, eine Möglichkeit, sich auf die besondere Energie und den Geist des Feiertags einzulassen. Während sie durch die Strassen ging, erhaschte Annalena Blicke auf Kinder, die als Katzen und Hexen verkleidet waren und fröhlich in Pfützen planschten.

Als sie sich Miras Wohnung näherte, nahm sie einen Hauch von Räucherwerk wahr, der ihr entgegenströmte. Annalena lächelte und spürte ein wohliges Gefühl von Vertrautheit in sich aufsteigen. Sie konnte es kaum erwarten, was Mira für sie an diesem Abend vorbereitet hatte. Als die Tür aufging, begrüsste Mira sie mit einer herzlichen Umarmung und einem schelmischen Lächeln.

„Bereit für ein wenig Halloween-Zauber?“ fragte sie, ihre Augen funkelnd.

 Annalena nickte begeistert, und Mira führte sie ins Wohnzimmer, das sich in einen gemütlichen und einladenden Raum verwandelt hatte.

 Annalena betrat Miras Wohnzimmer und blieb erstaunt stehen. Der Raum war in ein sanftes, fast magisches Licht getaucht, und vor ihr lag eine sorgfältig angeordnete Sammlung von Steinen und anderen Gegenständen. Auf dem Tisch entdeckte sie die Obsidian-Tasse, eine polierte Obsidian-Scheibe, ein Ammoniten-Fossil, eine grosse Achat-Scheibe mit einer Öffnung in der Mitte und einen farbenfrohen, polierten Jaspis-Stein. Sie sah auch ein Werkzeug, alt und abgenutzt, das seltsam lebendig wirkte und sich von den anderen Objekten abhob.

„Bereitest du ein Ritual vor?“ fragte Annalena neugierig, als sie all die ungewöhnlichen Gegenstände betrachtete.

 Mira, die auf einem Kissen sass, hob den Kopf und lächelte. „Ja, ich bereite mich auf das Samhain-Ritual vor,“ erklärte sie. „Das ist nur einmal im Jahr, und es ist eine Gelegenheit, tief in mein eigenes Unbewusstes einzutauchen.“

„Warum nur einmal im Jahr?“ fragte Annalena und setzte sich auf das Kissen gegenüber von Mira. „Kannst du das nicht einfach an einem anderen Tag machen?“

Mira schüttelte den Kopf. „Es ist wie Weihnachten,“ sagte sie. „Natürlich könntest du es an einem anderen Tag feiern, aber die Atmosphäre, die Schwingungen sind dann nicht die gleichen. Samhain ist eine besondere Zeit. Es ist der Moment, wo alle Ahnen präsent sind – alles, was meine Überzeugungen geformt hat, was mich dahin gebracht hat, wo ich heute bin. Diese Dinge zeigen sich in dieser Nacht, und ich kann die Ahnen treffen, die ich nicht erinnere. Ich treffe die Strukturen, die mich geprägt haben, aber auch die, die mich heute noch blockieren.“

Annalena sah Mira nachdenklich an. „Ahnen, das sind also wie alte Überzeugungen? Aber kann man nicht einfach etwas Neues glauben und alles ist gut?“

Mira lächelte sanft. „Es ist wie mit einem Haus. Wenn das Fundament nicht stimmt, dann wird es das Haus irgendwann zum Einsturz bringen. Das Samhain-Ritual ist für mich das Wichtigste des Jahres, weil ich damit mein Fundament prüfen und verstehen kann.“

Annalena grinste. „Das sagst du bei jedem Ritual.“

Mira nahm ein Kissen und warf es spielerisch nach Annalena. Beide brachen in Gelächter aus. „Du hast recht,“ gab Mira lachend zu. „Im Moment des Rituals fühlt es sich jedes Mal so stark an. Aber es ist, als ob alles auf einem fein abgestimmten Uhrwerk basiert – die Jahreszeiten, Zeit und Raum. Ich liebe es einfach so sehr. Es geht darum, bewusst meine eigene innere Welt zu bauen.“

Annalena lehnte sich entspannt zurück und lächelte. „Ich verstehe das irgendwie... langsam fängt es an, Sinn zu machen, auch wenn ich nicht genau sagen kann, warum.“

„Also, zeig mir, wie du dich vorbereitest. Vielleicht kann ich dir helfen,“ sagte Annalena und beugte sich neugierig vor.

Mira liess ihre Hand sanft über die Gegenstände vor ihr gleiten. „Die Steine und Objekte helfen mir, das Thema zu wählen, mit dem ich im Samhain-Ritual arbeiten möchte. Kennst du das, wenn manche Dinge im Leben ständig Chaos anrichten und du einfach nicht herausfindest, warum? Man sieht das Muster einfach nicht,“ fuhr sie fort und schaute gedankenverloren auf die Gegenstände. „Es ist wie in einer komplett unordentlichen Wohnung, und du hast keinen Plan, wo du mit dem Aufräumen anfangen sollst.“

Annalena nickte. „Also hast du quasi so eine innere Putzfee?“

Mira lächelte. „Ja, genau! Jeder Gegenstand hat eine bestimmte Funktion und hilft mir, mich auf das Samhain-Ritual vorzubereiten.“

Annalena grinste. „Wie meine Nachbarin, die immer aufräumt, bevor die Putzfrau kommt – sonst könnte sie gar nicht putzen.“

Beide brachen in Lachen aus. „Genau so,“ stimmte Mira schmunzelnd zu. Dann wurde ihr Blick wieder ernst, und sie deutete auf einen der Gegenstände.

„Als ersten Schritt die Obsidian-Tasse,“ begann Mira. „Ich habe sie mit Wasser gefüllt, und später werde ich dieses Wasser trinken.“

Annalena verzog das Gesicht. „Oh je, du willst all diese ungeordneten Sachen in dir trinken?“

„Ja, genau,“ antwortete Mira mit einem Grinsen. „Damit alles in mir fliessen kann und seinen richtigen Platz findet.“

„Aha,“ meinte Annalena skeptisch, „ich hätte echt Probleme, dieses Wasser zu trinken.“

Mira lächelte. „Das ist ganz normal,“ beruhigte sie Annalena. „Wenn die Steine ihre Kraft entfaltet haben, wird das Bedürfnis kommen, das Wasser zu trinken – aber nur für mich.“ Sie zwinkerte. „Du kannst ruhig warten und sehen, was bei mir passiert.“

Annalena nickte, neugierig, was geschehen würde.

Nach einem Moment fragte Mira: „Willst du auch eine Obsidian-Tasse mit Wasser füllen? Ich habe eine für dich.“

Annalena schaute überrascht und freudig auf. „Eine Obsidian-Tasse? Nicht nur eine normale Tasse?“

Mira lächelte und nickte. „Natürlich, nur das Beste für unsere gemeinsame Zeit.“

„Ja, warum nicht,“ sagte Annalena. „Schaden kann’s ja nicht.“

Mira stand auf, holte eine Obsidian-Tasse für Annalena, füllte sie mit Wasser und stellte sie neben ihre eigene auf den Tisch.

„Und was machen wir als Nächstes?“ fragte Annalena gespannt.

„Schau dir die verschiedenen Steine an,“ sagte Mira und deutete auf den Tisch. „Wähle etwas aus, wenn du möchtest.“

Das Rascheln von Miras Bewegungen und der sanfte Klang ihrer Stimme erfüllten den Raum, eine beruhigende Präsenz, während sie über die Steine sprach.

Annalenas Blick wanderte zu dem grossen, glänzenden Obsidianstein auf dem Tisch. Seine glatte Oberfläche reflektierte das Licht und schuf ein faszinierendes Schimmern. Fast wie von selbst griff sie danach und nahm ihn vorsichtig in die Hand. „Er ist so schön,“ flüsterte Annalena, während sie die tiefschwarze Farbe bewunderte und das Gefühl hatte, dass er sie mit ihrem eigenen Spiegelbild zurückblicken liess.

Die Steine schienen Geheimnisse zu bergen, verborgen in ihren Tiefen wie Juwelen, die von einem inneren Licht glühten. Annalena spürte die glatte Oberfläche des Obsidians und das Gewicht seiner Geheimnisse in ihrer Hand, als ob er mit ihr sprechen wollte und eine stille Geschichte in sich trug.

Mira griff nach dem Obsidian-Spiegel und betrachtete seine glänzende, reflektierende Oberfläche. Als ihre Finger ihn umschlossen, spürte sie die kühle, dunkle Energie, die von dem tiefschwarzen Spiegel ausging – fast wie ein Tor in eine andere Welt. Während sie den Spiegel im Licht drehte, hörte sie ein leises Flüstern, als würde ein fernes Gespräch geführt werden. Es war, als ob die Energie des Obsidians versuchte, zu ihr zu sprechen.

Ihre Augen waren fest auf den Spiegel gerichtet, und in der spiegelnden Fläche sah sie ihr eigenes, leicht verzerrtes Spiegelbild, das ihr jedoch seltsam vertraut erschien. Ohne den Blick abzuwenden, erklärte sie Annalena: „Der Obsidian spiegelt die Teile meines Unbewussten wider, die ich sonst kaum wahrnehme.“

Sie legte eine kurze Pause ein, während ihre Finger den kühlen Stein sanft umfassten. „Er bringt Klarheit in das Chaos, das oft unter der Oberfläche verborgen ist.“

„Und was soll ich jetzt denken?“ fragte Annalena und schaute Mira neugierig an.

„Gar nichts Grosses,“ antwortete Mira sanft und zwinkerte. „Lass einfach die Energie der Steine auf dich wirken. Atme tief durch, schliess die Augen, wenn du willst, und spür einfach mal, wie sich irgendwas in dir sortiert.“

Annalena liess den Stein in ihrer Hand ruhen und lächelte plötzlich. „Irgendwie bekomme ich Hunger.“

Mira lachte leise. „Ich auch. Innere Arbeit macht hungrig.“ Sie ging zum Kühlschrank und fing an, ein paar Kleinigkeiten zuzubereiten, während sie beide noch die Steine in den Händen hielten und weiterredeten.

Sie assen gemeinsam, tranken ein bisschen Kaffee und plauderten entspannt. Annalena fragte Mira, ob sie jetzt wisse, was sie ins Samhain-Ritual mit hineinnehmen möchte. Mira zögerte einen Moment, dann nickte sie.

„Ja,“ begann sie leise, „der Obsidian-Spiegel führt mich in den letzten Tagen – und auch jetzt gerade – immer wieder zu einem Gefühl von Scham. Ich denke, es ist der richtige Moment, tiefer zu gehen. Der Obsidian-Spiegel wird mir helfen, mich innerlich darauf vorzubereiten, einen Raum zu schaffen, in dem die Erinnerungen, auf die ich jetzt noch keinen Zugang habe, auftauchen können.“ Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann nachdenklich fort. „Ich erinnere mich an viele Momente in meiner Kindheit, in denen ich mich geschämt habe. Manchmal durch Worte oder Blicke meiner Eltern, aber die genauen Situationen verschwimmen mit der Zeit. Trotzdem fühle ich, dass diese Scham immer noch in mir lebt und mich blockiert, besonders, wenn es um meinen kreativen Ausdruck geht.“

Annalena schaute sie aufmerksam an. „Glaubst du, du kannst dich dieser Scham im Ritual stellen?“

Mira nickte. „Ja, ich habe in früheren Samhain-Ritualen schon erlebt, wie tief verborgene Erinnerungen und Gefühle plötzlich wieder auftauchen können. Dieses Jahr bin ich bereit, genauer hinzuschauen. Ich glaube, es ist Zeit, die Scham vollständig zuzulassen und lange genug bei ihr zu bleiben, um sie als wertvollen Teil von mir zu sehen.“

Annalena verstand. „Du willst die Scham nicht einfach loswerden, sondern sie als Teil deiner Geschichte anerkennen, richtig?“

Mira lächelte. „Genau. Ich denke, Scham zeigt uns oft, wo wir uns selbst verurteilen und nicht annehmen. Wenn das Samhain-Ritual mir die Erinnerungen bringt, die mit der Ursache dieser Scham verbunden sind, kann ich in den nächsten Wochen damit arbeiten und mit meiner Aufmerksamkeit bei der Scham bleiben. Ohne diese Erinnerungen oder das Wissen über die Ursache komme ich nicht weiter. Und weil Scham meistens durch andere Menschen ausgelöst wird, wird mir gerade dieses Ritual helfen – weil auch alle Ahnen dabei sind. Sich zu schämen ist etwas zutiefst Menschliches, das macht es leichter, denn ich bin nicht allein damit. Ich kann das Samhain-Ritual auch zu einer anderen Zeit wiederholen, aber es ist weniger kraftvoll ohne die Schwingungen, die genau jetzt zu dieser Zeit da sind. Ich werde es vielleicht einige Male wiederholen, um die Dinge, die hochkommen, mit der Unterstützung des Kreises noch einmal zu betrachten."

Die beiden Frauen sassen eine Weile in nachdenklichem Schweigen da, bis Mira schliesslich lächelnd zu Annalena sagte: „Es ist sehr schön, diese Dinge mit dir teilen zu können. Viele verstehen nicht, warum ich diese Rituale mache, und es ist nicht so einfach zu erklären, was genau dabei passiert.“

Annalena umarmte Mira und spürte die besondere Energie, die diese Offenheit zwischen ihnen geschaffen hatte. Die Zeit verflog in der gemütlichen Atmosphäre.

Annalena bemerkte, wie sie sich anders fühlte als zuvor, immer ruhiger und geerdeter. „Es ist verrückt,“ sagte sie und schaute Mira beeindruckt an. „Ich habe keine Ahnung, wie das passiert, aber ich fühle mich plötzlich so… entspannt, als wäre eine Last von mir abgefallen. Ich habe auch viel Scham in mir, aber ich hätte mich nicht getraut, das auszusprechen. Jetzt weiss ich, dass es gar nichts Schlimmes ist.“

„Genau so funktionieren Rituale,“ erklärte Mira. „Wir schauen alles gemeinsam an, und alles ist verbunden. Wenn ich meine Scham anschaue, siehst du gleichzeitig auch deine eigene, ohne dass dir das bewusst sein muss. So kann man Dinge viel leichter verarbeiten. Man muss wirklich nicht alles allein durcharbeiten – das würde ewig dauern,“ seufzte Mira. „Ich fühle mich im Kreis so getragen. Und das Magische daran ist, dass man nicht einmal den anderen mitteilen muss, woran man arbeitet.“

Mira nickte mit einem wissenden Lächeln. „Die Arbeit mit den Steinen ist die innere Vorbereitung; sie helfen uns, in die Tiefe zu gehen, so weit wir können – dorthin, wo wir dann während des Rituals weitergehen können.“

„Ja,“ sagte Annalena. „Ich fühle mich, als hätte ich mehr Raum in mir, fast als ob mehr Luft da wäre. Ich kann jetzt viel tiefer einatmen.“

Annalena fühlte sich dankbar für diesen Einblick und war gespannt, was diese geheimnisvollen Steine noch für sie bereithielten. Während sie das Essen aufräumten und noch ein wenig plauderten, wurde Mira plötzlich ernst und sah Annalena mit einem schelmischen Lächeln an.

 „Es gibt da noch etwas, was wir machen müssen,“ sagte sie mit einem Augenzwinkern.

Annalena grinste. „Und was wäre das? Ich ahne schon was.“

„Wir müssen das Wasser aus der Obsidian-Tasse trinken.“

Annalena lachte und sagte: „Du hast recht, es wirkt jetzt gar nicht mehr komisch, sondern das Wasser wirkt wie ein kostbares Elixier.“ Sie nahm die Tasse in die Hand, spürte fast, wie die Energie der Steine im Raum pulsierte, und nahm vorsichtig einen Schluck. Das Wasser schmeckte erfrischend und klar, fast so, als sei es von einer geheimnisvollen Kraft berührt worden. Sie schaute zu Mira, die sie erwartungsvoll ansah, als hätte sie genau auf diesen Moment gewartet.

„Ich möchte jetzt auch Samhain feiern – oder Halloween,“ sagte Annalena zu Mira, während sie die anderen Steine und Gegenstände anschaute, die sie nicht benutzt hatten.

„Und was ist mit den anderen Steinen?“ fragte sie.

Mira schüttelte lächelnd den Kopf. „Da gibt es noch so viel zu erzählen. Lass uns das nach Samhain machen.“

„Sehr gerne,“ sagte Annalena und begann, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie griff nach der Obsidian-Tasse, um sie in die Küche zu tragen, doch Mira hielt sie kurz auf.

„Nimm sie mit,“ sagte Mira mit einem liebevollen Blick. „Die Tasse ist mein Samhain-Geschenk für dich.“

Annalena strahlte vor Freude. „Ich werde sie hegen und pflegen – und bestimmt oft benutzen,“ versprach sie mit einem Lächeln. Die beiden umarmten sich herzlich, und Annalena machte sich auf den Heimweg, das Herz voller Freude und das Gefühl einer magischen Energie in sich, wie sie es lange nicht mehr gespürt hatte.